Teil 12: Ab zum Zipfel

Freitag, 14.12.2018:

What a night. Neben uns parken zwei Toyota Hilux, ebenso mit Dachzelten ausgerüstet und Herberge für eine kanadische Familie. Die Kanadier haben entweder ein technisches Problem mit ihrer Alarmanlage oder bewegen sich viel im Schlaf. Warum auch immer – jedenfalls geht das Ding alle halbe Stunde in der Nacht los und reißt uns aus dem hitzegeschwängerten Schlaf (trotz des starken Gin Tonics).

Als wir morgens aus dem Dachzelt klettern sind die Kanadier bereits weg. Wohl aus Scham vor den Nachbarn. Wir beginnen heute unsere Fahrt Richtung Botswana. Die erste Station wird Rundu, nordöstlich des Etoscha-Nationalparks am „Eingang“ zum Caprivizipfel. Die Strecke soll nach Handy-Navi (unser eingebautes GPS funktioniert ja nicht) ca. 4 Stunden bzw. 300 KM betragen. Sachen zusammengepackt und los geht es.

Beim Verlassen des Nationalparks müssen wir an einem Kontrollposten des Veterinäramtes stoppen. Unser Auto wird nach verderblichen Lebensmitteln durchsucht. Dass man frische Fleisch- und Milchprodukte zwar in den Park einführen, aber nicht ausführen darf war uns zu keinem Zeitpunkt bewusst. Dank etwas Glück bzw. afrikanischer Gründlichkeit dürfen wir unser Fleisch, unsere Eier, Milch, Schinken, Käse und was sonst noch alles doch behalten. Der Kontrolleur lässt uns den Kühlschrank und die zweite Kühltasche (Dank geht raus an unsere österreichischen Spender) öffnen. Obwohl alle „verbotenen“ Lebensmittel oben auf liegen hat er nichts zu beanstanden und weist uns an zu fahren. Hier merke ich das erste Mal, dass das Auto schlecht startet.

Die Strecke vom Etosha nach Rundu verläuft ausschließlich über Teerstraßen und wir schalten das erste Mal seit langem wieder das Radio ein um ein Hörbuch zu hören. Als uns der Hunger umtreibt fahren wir in Tsumeb ab und holen uns einen Burger bei „Hungry Lion“, ein vielversprechender Name. Nachdem unser Löwenhunger gestillt ist wollen wir wieder die Straße unsicher machen. Helmut springt nicht an. Nichts tut sich, beim Schlüsselumdrehen bleiben alle Leuchten dunkel. Da bei unserem Auto ein Seil um den Stoßfänger gewickelt ist kommt man mit der Hand nicht an den Entriegelungshebel für die Motorhaube. Durch das Anschließen des Kompressors für die Reifen wissen wir uns aber hier zu helfen: eine Gabel muss für die Dauer der Reise nun als Fingerverlängerung herhalten und findet beim Bordwerkzeug Gesellschaft. Die Klemmen an der Batterie haben sich durch die Schotterpisten im Etosha gelockert. Das wird aber nicht jetzt gerichtet sondern später wenn wir unser Nachtlager aufschlagen. Wir müssen zügig weiter um das Ersatzkabel für unser Navi abzuholen und der Laden um 17 Uhr schließt. Unsere Autovermietung hat uns auf unsere Benachrichtigung hin ein Kabel in einem KFZ-Zuberhörladen in Rundu hinterlegen lassen.

Das Kabel bekommen wir in dem Geschäft auch anstandslos und nach einem erneuten Einsatz der Gabel steuern wir unseren Schlafplatz an. Diesen erreichen wir dann garnicht, denn auf dem Weg halten wir bei einer netten Campsite mit angeschlossenem Restaurant. Mal nicht selber kochen. Auf dem Gelände findet eine namibische Hochzeit statt. Der Bruder der Braut lädt uns bereits ziemlich angeheitert ein, doch mitzufeiern. Hätten wir die Einladung mal lieber angenommen…

Teil 11: Lion King

Donnerstag, 13.12.2018:

Ich erwache von einem lauten, kehligen Röcheln. Beim Schlafengehen habe ich zwar schon zu Laura gemeint, dass unser Zeltnachbar noch lauter schnarcht als ich, aber so laut kann selbst der Typ nicht sein. Etwas verschlafen sage ich zu Laura: „Das ist der Löwe“. Sie lächelt mich verschmitzt an und erwidert: „Ja, ganz sicher ist das der Löwe.“

Nur kurz Sachen angezogen treibt es uns wie von einem Magneten angezogen zum Wasserloch. Sofort sehen wir ihn: ein männlicher Löwe bewegt sich ca. 100 Meter von uns entfernt auf etwas zu. In der Morgendämmerung machen wir sein Zielobjekt aus. Ein zweites Löwenmännchen (der Euphemismus „Männchen“ entbehrt jeder Realität) macht sich an einem erlegten Zebra zu schaffen. Wir denken sofort an das Zebra, das wir letzte Nacht dort am Wasserloch zurückgelassen haben. Mit uns ist ein Paar aus Kanada vor Ort. Er, ca. 50 jährig fuchtelt die ganze Zeit mit einer GoPro umher. Was eine GoPro mit Super-Weitwinkel bei einer Entfernung von 100 Meter zum Löwen auch immer bringen mag. Sie, ungefähr zehn Jahre jünger und mit der Haute Couture des Fotoequipments bestückt, läuft hektisch von links nach rechts um ja den EINEN Schuss zu ergattern. Natürlich machen wir auch Bilder – wir wollen ja nicht nur Zeilen liefern – aber wir sitzen die meiste Zeit da und staunen.

_MG_0399.jpg

 

_MG_0411.jpg

Nach diesem beeindruckenden Schauspiel machen wir Helmut abfahrbereit und verabschieden uns von der Camp-Crew. Die Jungs und Mädels vom Camp wollen unbedingt die Löwenfotos sehen, Löwen waren hier schon seit zwei Monaten nicht mehr. Dann geht es auf zu unserer letzten Station im Etosha, dem Camp Halali. Die ca. 250 Kilometer verfliegen geradezu mit dem Gedanken, innerhalb von nicht einmal 48 Stunden bereits drei der „Big Five“ (Elefant, Löwe, Nashorn, Leopard & Büffel) gesehen zu haben. Wir nehmen den Umweg über den vielversprechenden „Rhino-Drive“ und erspähen dort einen Vogel und eine Fliege auf der Windschutzscheibe. Fair enough.

Im Camp Halali angekommen errichten wir unser Dachzelt, Laura legt sich aufs Ohr und ich gehe eine Runde im Pool schwimmen. Dann zieht ein Gewitter auf und es fängt an zu regnen. Wir verziehen uns unter den Vorsprung, den unser Dachzelt bietet und kochen Gulaschsuppe. Heute werden abends keine Tiere „gejagt“, wir haben Internetgutscheine gekauft und melden uns mal wieder zu Hause. Ich sitze hier, trinke den stärksten Gin Tonic meines Lebens, beobachte den Honigdachs wie er den Nachbarn die Essensreste klaut und schreibe diese Zeilen.

Teil 10: Im Reich der wilden Tiere

Mittwoch, 12.12.2018:

Heute sind wir auf unserer Campsite die letzten die aufstehen, die letzten die frühstücken und die letzten die zusammenpacken und losfahren – es ist 6:15 Uhr. Ausschlafen tut wirklich gut.

Es geht heute auf den zweiten Stop im Etosha-Nationalpark nämlich das Camp Olifantsrus im Westen des Parks. Bis dahin sind es ca. 170 KM über Schotterwege, vorbei an Wasserlöchern und hoffentlich auch an Tieren. Wir nehmen uns für unsere weitere Reise vor, mittags am Zielort anzukommen und wenn möglich die größte Mittagshitze irgendwo im Schatten herumzukriegen. Dann wollen wir kochen und uns bei Sonnenuntergang nochmal auf die Lauer legen, vielleicht läuft uns ja etwas vor die Linse.

Auf dem Weg zum Olifantsrus Camp bekommen wir dann auch geboten, was man sich von einer Safari ins südliche Afrika verspricht. Haufenweise Tiere. Von Springböcken und Gnus über Oryxe, Zebras und Giraffen bis hin zu Elefanten tummeln sich die Tiere an den spärlich gesäten Trinkmöglichkeiten. Die Regenzeit fängt hier gerade erst an (bisher haben wir bis auf den einen Hagelschauer in Windhoek keine Wolke am Himmel erspäht) und die Steppe ist geradezu ausgetrocknet. Die Flussbetten sind leer und die Tiere drängen sich bei jeder Gelegenheit um das wertvolle Nass. Wir wissen, dass sich gerade die Wassersituation im Chobe und im Okavango-Delta auch ganz schnell ändern kann. Für unsere Reise dorthin (etwa zwischen 17. und 26. Dezember) werden wir ein Auge auf dem Regenradar haben.

_MG_0426

Bei unserer Ankunft im Olifantsrus Camp sind wir die einzigen Gäste, dementsprechend ausgiebig fällt auch die Begrüßung durch das Camppersonal aus. Wir bekommen ein Sandwich und eiskalte Cola. Um diese Zeit zu reisen bringt eindeutig den Vorteil, dass fast keine Touristen unterwegs sind, schon gar nicht abseits der Hauptrouten. Direkt hinter unserer Campsite steht ein ca. 15 Meter hohes Stahlgerippe. Es erinnert mich an einen Kran einer Schiffswerft oder das Grundgerüst einer niemals fertiggestellten Achterbahn.

Die kleine Ausstellung im Camp verrät dann aber die eigentliche Verwendung dieser stählernen Konstruktion. In den Jahren 1983 bis 1985 wurden an der Vorrichtung insgesamt 525 Elefanten „geerntet“. Diese Tötungen wurde durch die Regierung und die Nationalparkverwaltung angeordnet um den, damals viel zu hohen, Elefantenbestand einzudämmen. Durch Wanderungen zogen in den Jahren um 1980 vermehrt Elefanten in den Etosha-Nationalpark. Diese Zunahme verringerte zum einen das Nahrungsaufkommen für ihre Artgenossen und andere Tiere. Außerdem wurde der Zorn der Bevölkerung auf die Elefanten immer größer, da gerade junge Bullen vermehrt Zäune, Strommasten und Gebäude zerstörten. Zudem drohte die Gefahr, dass durch die Zerstörungen von Bäumen und Sträuchern das Gebiet zu einer kargen Wüste verkommt. Das Töten wurde immerhin unter die Bedingung gestellt, alle Teile der getöteten Elefanten zu verwerten und den größtmöglichen wissenschaftlichen Nutzen aus den Tieren zu ziehen. Auch trotz dieser Umstände und Bedingungen wirkt für unser Empfinden die Tötung von Elefantenherden in diesem Ausmaß und mit dieser Maschinerie sehr verstörend.

Am Abend (zum Abendessen gibt es Spaghetti mit Pesto und ohne Sand) machen wir uns auf zum Wasserloch. Nachdem wir am vorigen Abend bereits ein Nashorn gesehen haben, was kann das toppen? Wir sitzen und beobachten eine Herde von Elefanten. Die Kühe schützen die Kälber vor allen Gefahren, die an der Wasserstelle auf sie lauern könnten. Zu den Elefanten gesellen sich vereinzelt Schakale und Vögel.

Doch dann schnauben zwei Nashörner herbei, gehen auf das Wasserloch zu um dann kurz davor doch wieder kehrt zu machen. Wir haben echt Glück mit unseren Beobachtungen. Obwohl Nashörner ganz schön imposante Geschöpfte sind haben die beiden doch gehörigen Respekt vor der Elefantenherde und verharren in sicherer Entfernung. Erst als die Elefanten das Wasser freigeben und von Dannen ziehen stillen die Rhinos ihren Durst.

Als die beiden in die Nacht entschwinden taucht noch ein vereinzeltes Zebra auf. So schön diese Tiere auch sind, für uns war die Begegnung mit den Nashörnern der krönende Abschluss des Tages und auch wir ziehen uns auch zurück.

Teil 9: Die Reise zu den Tieren

Nachtrag zum Montag, 10.12.2018:

Wir haben uns inzwischen von unserem Robben-Schock erholt und können so die unglaubliche Schönheit der Spitzkoppe genießen.

Nachdem wir am Gate unsre Übernachtung bezahlt hatten, sind wir den Berg hinaufgefahren, haben uns ein schönes Fleckchen ausgesucht und dann nichts weiteres getan als die Aussicht zu genießen.

IMG_1864.jpg

Das Spitzkoppe Rest Camp liegt kurz unterhalb des Gipfels und man hat von dort oben einen überragenden Ausblick auf die Savanne und einen magischen Sonnenuntergang. Diesen haben wir gestern dann von unserem Esstisch genossen und sind nach einem langen, mehr als aufregenden Tag ziemlich schnell eingeschlafen.

IMG_1873.jpg

 

Dienstag, 11.12.2018:

Das frühe Schlafengehen hat den Vorteil, dass ich völlig ausgeruht bereits um 5.30 Uhr aufwache, mich aus dem Dachzelt schleiche und den Sonnenaufgang vom Plateau der Spitzkoppe aus genieße.

IMG_1874.jpg

Ich schlendere über das Plateau, beobachte einige kleine Tiere bei ihren ersten Aktivitäten des Tages, andere vielleicht bei den letzten bevor sie tagsüber schlafen. Dann entdecke ich die Spur eines Tieres, genauer gesagt seinen Dung. Nach dem ersten Eindruck stammt er von einem Pflanzenfresser. Da es uns interessiert, welche Tiere sich in unserer Umgebung aufhalten, sich auch nachts vor unsrem Dachzelt rumtreiben und Helmut ein eher schweigsamer Typ ist, beschließe ich, den Haufen mitzunehmen und einen Ranger zu fragen wer der Urheber dessen ist. Bei meiner Rückkehr sitzt Laura an der Kante des Dachzelts und sieht mich mit dem Etwas an einem Stock im Anmarsch. Sie wundert sich über solche Aktionen nicht mehr.

Wir genießen ein Frühstück mit grandioser Aussicht und packen gemütlich unsre Sachen zusammen. Den Haufen nehme ich dann doch nicht mit, stattdessen mache ich ein Foto und will dies bei der Ausfahrt analysieren lassen. Es geht die Spitzkoppe hinab und wir bringen Helmut vor der Rangerstation am Fuße des Berges zum Stehen. Vor der Abfahrt muss ich noch wissen, welches Tier denn dort oben auf dem Berg sein Unwesen treibt und zeige einem der Ranger das Foto des Corpus Delicti. Er lacht auf und antwortet: „It’s a horse. We only have horses here”. Naja, immerhin nichts gefährliches…

Unsere nächste Station wird der Etosha-Nationalpark. Hier werden wir drei Nächte in drei verschiedenen Camps verbringen und die Fahrten zwischen den Camps als Safari nutzen. Ich habe viel über die staatlichen Camps (betrieben vom NWR) in diversen Foren und auf Bewertungsplattformen gelesen und die Erwartungshaltung ist niedrig.

Als wir nach ca. 400 km und einem Einkaufsstopp in Outjo (Spar-Supermarkt mit geschmückten Tannenbaum davor) das Gate zum Etosha-Nationalpark erreichen müssen wir an einer Schranke halten und brauchen: eine Permit. Diese erhalten wir nach Unterschrift der Besuchsbedingungen und dem Verneinen nach mitgebrachten Drohnen, Haustieren oder Schusswaffen. Dann sind es noch ca. 10 Minuten Fahrt zum Camp Okaukuejo.

Auch wenn ich mich eher als Freund von Bewertungsplattformen bezeichnen würde sind die Urteile zumindest über dieses staatliche Camp weit entfernt von der Realität. Bereits beim Parken an der Rezeption sehen wir einen großen, blau schimmernden Pool und freie Liegen. Obwohl hier einige deutsche Touristen sind, freie Liegen gibt es auch nachmittags noch…

Wir checken ein und müssen uns am Desk in ein Gästebuch eintragen, was wir auch tun. Dann müssen wir uns in das zweite Gästebuch mit genau den gleichen Angaben eintragen. Dann in das dritte. Diese Bücher haben wohl in etwa soviel Sinn wie die Polizei-„Kontrollen“ an der Straßen von und nach Windhoek. Als wir alles ausgefüllt haben, geht es erst einmal an den Pool.

Erfrischt fahren wir zu unserer Campsite und werfen den Grill an. Laura grillt, ich mache Salat. Plötzlich stößt mich Laura in die Rippen. Keine 50 Meter von uns entfernt zieht eine Dreiergruppe Elefanten vorbei. So groß diese Tiere auch sind, so lautlos bewegen sie sich fort. So macht kochen Spaß und das Essen schmeckt doppelt so gut. Beeindruckend schön.

IMG_1888.jpg

In den Camps im Etosha-Nationalpark verbringt man den Abend damit, an einem, auch nachts beleuchteten, Wasserloch zu sitzen und auf möglichst spektakuläre Tiersichtungen zu hoffen. Wir machen es uns mit einem Bier und Cider gemütlich und warten. Die einsetzende Stille aller menschlichen Beobachter verheißt auf einmal etwas Großes. Und tatsächlich, an unserem allerersten Abend im Etosha nähert sich ein Spitzmaulnashorn der Wasserstelle. In den Camps liegen überall Bücher aus, in welche man seine Tiersichtungen des Tages eintragen kann. Einzig Nashornsichtungen darf man hier nicht eintragen um die sehr seltenen und sehr bedrohten Tiere vor Wilderern zu schützen.

Langsam und bedächtig tritt das Nashorn ans Wasser um seinen Durst zu stillen. Wir verharren und genießen. Fotos werden ob der Dunkelheit eh nichts mehr. Also behalten wir das Bild in unseren Köpfen. Mit Worten ist das Gefühl, ein solches Lebewesen in freier Wildbahn zu erleben, nicht beschreibbar.