Teil 3: Wir gehören zum Inventar

Exkurs:

Nun sind wir erst drei Tage hier, haben jedoch schon zahlreiche An- und Abreisen erlebt und werden immer wieder gefragt, warum wir denn fast eine Woche in Windhoek bleiben würden. Die Tatsache, dass wir vor unserer Tour ein paar Tage in Windhoek nächtigen hat einen erholungstechnischen und einen sicherheitstechnischen Grund die sich beide gegenseitig bedingen.

Das Jahr 2018 war für uns beide recht aufregend und -reibend. Laura war für ihre finale Referendarsstation in Berlin hat ihr zweites Staatsexamen bestanden, ich habe einen neuen Job angetreten und war dafür recht viel unterwegs. Da schadet es uns nicht, wenn wir ein paar Tage zum Entspannen und Ankommen haben. Bis der Kopf dem Körper in den Urlaub folgt, dauert es doch eine ganze Weile. Nach einer so langen Reise sofort eine Safari anzutreten wäre auch nicht gerade erholsam.

Außerdem wäre es wohl nicht gerade ratsam, sich ohne ausreichende Erholung ans Steuer eines ungewohnten Fahrzeugs (welches wir am Mittwoch abholen – Bilder folgen dann umgehend) zu setzen und über Straßen zu heizen, die bei uns nicht einmal als drittklassiger Feldweg durchgehen würden.

Wir genießen also das Nichtstun und feilen hier weiter an unserer Tour. Dank der Tipps von Locals und Leuten, die die Tour bereits absolviert haben werden wir ein paar Änderungen im Plan vornehmen. Ursprünglich wollten wir zum Brandberg fahren, wo man vom Plateau einen einmaligen Sonnenuntergang erleben soll. Der Brandberg soll jedoch viel von Reisebussen angefahren werden und auf was wir gar keine Lust haben sind Menschenmassen. Außerdem hat mir die Campsite auf keine meiner acht E-Mails geantwortet. Also wird der Brandberg ersetzt durch die Spitzkoppe, das „Matterhorn“ Namibias. Hier soll es möglich sein, direkt unter den Felsbögen zu parken, das Dachzelt aufzustellen und in Einsamkeit unter dem Sternenhimmel zu übernachten. Auch nicht die schlechteste Alternative.

Exkurs Ende

Eigentlich wollen wir heute morgen an einer geführten Stadtführung teilnehmen, doch bei Nachfrage beim Personal wird uns mitgeteilt, dass diese spontan heute entfällt. Mag entweder daran liegen, dass der Guide am Sonntagmorgen in den Gottesdienst gegangen ist oder dass er samstags doch noch nach 13 Uhr irgendwo Alkohol kaufen konnte.

Jetzt sind wir aber schon wach und beschließen, auf eigene Faust loszuziehen. Wir laufen gerade den Hügel in Richtung Christuskirche hinauf als wir von zwei Männern in perfektem Deutsch angesprochen werden. Wir ahnen, dass die beiden irgendwie an ein paar Dollar kommen wollen, da wir jedoch keine Wertgegenstände dabei haben unterhalten wir uns mit ihnen. Sie erzählen uns, dass sie Teil der „DDR-Kinder von Namibia“ waren, einer Gruppe von ca. 400 Kindern die von der ehem. DDR aus Namibia geholt wurden und dort aufwuchsen. Ich habe diese Geschichte vor der Begegnung mit den zwei zwielichtigen Männern noch nicht gehört. Als wir anmerken kein Geld dabei zu haben ziehen die beiden von dannen uns wir steigen weiter auf zur Christuskirche.

Diese kleine Kirche thront auf einem Hügel über der Stadt in Nachbarschaft zum sozialistisch anmutenden Independence Museum. An der Stelle des Independence Museums stand bis zum Jahr 2009 das sog. „Reiterdenkmal“, ein umstrittenes Überbleibsel der deutschen Kolonialherrschaft im ehem. Deutsch-Südwestafrika. Das Reiterdenkmal wurde nach einigen kontroversen Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern dieser Art von Erinnerung an die Niederschlagung des „Herero- und Hottentottenaufstandes von 1903-1907“ verlegt. Wie Dominik Prantl in seinem lesenswerten Buch „Gebrauchsanweisung für Namibia“ schreibt, sieht nun der „…einst übers Land blickende Reiter nur die Innenmauer der langsam verfallenden Alten Feste“.

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Nachdem wir noch einen Blick in die Parlamentsgärten geworfen haben (hier ackern unzählige Rasensprenger für die Erhaltung des englischen Rasens – auch ein Statement in einem Land in dem Wasser aufgrund seiner Knappheit „heilig“ ist) machen wir uns auf den Rückweg. Doch nicht ganz, denn uns verschlägt es noch ins Craft-Center, einer Einrichtung mit kleinen Verkaufsnischen für lokale Kunsthandwerker. Wir werden vor unserer Rückkehr nach Deutschland nochmal einen Stop in Windhoek einlegen und kaufen heute nichts, dafür genehmigen wir uns auf der Terrasse einen frisch gepressten Saft und einen eiskalten Milchshake.

Heute ist auch der Tag, an dem wir unseren Besuch in Joe’s Beerhouse nachholen. Wir haben auf 20 Uhr reserviert, aber uns knurrt schon auf 16 Uhr der Magen weshalb wir uns entschließen, bereits auf 19 Uhr ein Taxi rufen zu lassen. Zum Thema Taxi in Windhoek werde ich wohl ein extra Kapital eröffnen müssen…

Als um 19.15 Uhr immer noch kein Taxi zu sehen ist frage ich an der Rezeption, die junge Dame hat es vergessen. Sie ruft jemanden an um uns zu holen. Während wir warten kommt eine Frau auf dem Motorrad angefahren und fragt nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Sie sei heute bereits seit 11 Stunden auf dem Sattel und 760km gefahren. Als ihr unser Rezeptionist erklärt, dass kein Zimmer mehr frei sei und auch alle anderen Hotels in Windhoek belegt seien, gehen die Nerven mit ihr durch.  Wir wissen nicht, wie die Geschichte ausgegangen ist, denn inzwischen ist unser Fahrer Andy mit seinem blitzblank geputzten Nissan und strahlend weißen Hemd vorgefahren um uns in Joe’s Beerhouse zu bringen.

Joe’s Beerhouse ist eine Institution in Windhoek und wer einmal dort war weiß auch warum. Eine Mischung aus Open-Air-Restaurant, Jahrmarkt und Kuriositätenkabinett. Überall stehen ausgestopfte Leoparden, alte Schilder und Lampen hängen von der Decke und man verläuft sich zur Toilette schneller als man Springbock sagen kann. Auch in Joe’s Beerhouse wurde unsere Reservierung verschusselt aber egal, wir bekommen sofort einen Tisch. Jetzt wird reingehauen: Laura nimmt ein Pfeffersteak, für mich gibt es den Bushman Sasotie (ein Spieß mit Zebra, Kudu, Oryx, Springbock und Hähnchen) jeweils für umgerechnet 12 Euro. Das Essen schmeckt hervorragend, Zebra und Springbock sind meine Favoriten.

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Danach verziehen wir uns an die Bar wo wir die beiden Mädels (eine davon ja ohne iPhone) aus unserer Unterkunft wieder treffen. Sie sind ganz erstaunt wie „alt“ wir sind und wir lernen, dass in Jugendsprache ein attraktiver Mann als „Snack“ bezeichnet wird. Adjektiv dazu ist „snackig“.

Für die Heimfahrt wollen wir Andy anrufen doch dieser nimmt nicht ab. Also fragen wir am Eingang, dass uns ein Taxi abholt. Doch alle Fahrer sind bereits im Bett. Warten. This is Africa. Nach 45 Minuten kommt ein junger Mann und nimmt uns mit zu seinem Auto. Er verlangt 50 Dollar pro Person, bei Andy waren es 35. Er sagt, er sei doch wirklich schon sehr spät. Ein schlagkräftiges Argument. Ich kann ihn auf 30 Dollar pro Person runterhandeln und er fährt uns sicher (Hände immer in „Zehn-vor-zwei-Stellung“ am Lenkrad) nach Hause. In unserem Zimmer lachen wir uns noch über „Snack“ kaputt und entschlummern.

Teil 2: Hostellife

Ausschlafen – wobei das in Afrika bedeutet, aufzuwachen wenn die Sonne dein Bett aufheizt – also so bis 7 Uhr.

Wir beginnen den Tag mit einem Frühstück und schmieden den Plan, etwas durch die Stadt zu bummeln, einzukaufen und am Pool zu liegen. Beim Frühstück treffen wir wieder auf eine unserer Bekanntschaften vom Vortag: ein 63jähriger Hong Kong-Chinese, der seit 15 Jahren um die Welt reist – immer mit Gitarre und Klapprad im Gepäck. Er sieht immer so aus als würde er in der nächsten Stunde bei einem Ultra-Marathon an den Start gehen. Funktionsstrümpfe, -kleidung und -weste alles in Neonfarben. Einmal im Jahr kehrt er wieder nach Hong Kong zurück um dort etwas wichtiges zu erledigen: sein Klapprad zur Inspektion zu bringen…

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Wir brechen auf zu einem Stadtbummel und Laura zeigt mir ein paar Ecken, die sie noch von ihrer Zeit in Windhoek kennt. Dann stehen wir vorm Zoo-Park und beschließen im dortigen Zoo-Café einzukehren. Woher der Zoo-Park seinen Namen hat wissen wir nicht, es gibt hier keine Tiere (zumindest nicht in Gehegen). Als wir im Café sitzen zieht uns ein kleiner Junge am Bein und bettelt nach Geld. Wir werden in später schlafend am Straßenrand wieder sehen.

Im Einkaufszentrum decken wir uns mit Essen und Getränken ein. Den Cider und das Bier aus unserem Einkaufswagen müssen wir allerdings zurücklassen. In Namibia darf man samstags nur bis 13 Uhr Alkohol kaufen. Gerüchte besagen, dass so sichergestellt werden soll, dass am Sonntag niemand den Gang in die Kirche verschläft.

Zurück in der Backpacker-Lodge lernen wir vier Burgenländer kennen, die gerade von der Tour zurückkommen, die noch vor uns liegt. Wir nehmen dankend ein paar hilfreiche Tipps zur Strecke an und quatschen einfach drauflos. Die dunklen Wolken am Himmel nehmen wir dabei gar nicht ernst, wir sind ja in Afrika, Im Urlaub. Plötzlich fängt es an wie aus Eimern zu schütten und zu hageln. Wir flüchten uns unter einen Strohschirm und rücken alle zusammen. Bald wird das erste Bier geöffnet. Eigentlich bewegen wir uns ab diesem Zeitpunkt für den restlichen Tag nicht mehr unter dem Schirm hervor.

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Der Regen hält uns davon ab, den für abends in Joe’s Beerhouse reservierten Tisch auch in Anspruch zu nehmen. Stattdessen gibt es Salat mit Avocado und Feta. Joe’s Beerhouse wird dann halt nachgeholt.

Als ich an der Bar Getränke holen will, streckt mir ein anderer Gast ein eiskaltes Bier hin, ich bin eingeladen. Der Typ heißt Marvin, kommt aus Sambia und ist immer zwei Wochen pro Monat in Windhoek für „Business“. Marvin verkauft gefälschte Casio-Uhren und „echte“ Nike Jordans. Mit Marvin sitzt Robert an der Bar. Robert ist aus Simbabwe und Tourguide. Aus dem einen Bier werden zwei, drei und die Unterhaltung immer ausgelassener. Marvin erzählt von seiner Zeit im südafrikanischen Nachtleben, das er inzwischen hinter sich gelassen hat, welches ihm aber seine Goldzähne beschert hat. Robert gibt uns einige Tipps, die er seinen Kunden so nicht geben dürfte und seine Nummer wenn wir auf unserer Reise irgendetwas brauchen sollten. Wir merken uns die Formel: man sollte überall versuchen, die Polizei zu bestechen (AUßER IN BOTSWANA!).

Die beiden ziehen noch um die Häuser und uns zieht es wieder unter unseren Schirm zu den Österreichern, wo wir noch den von ihrer Reise übriggebliebenen Whiskey (Ardbeg 10 Jahre alt) verkosten. Die vier haben ein tolles Abenteuer hinter sich, das stärkt unsere Lust auf die Tour. Berauscht von Vorfreude und Whiskey geht es ins Bett, morgen geht es auf Sightseeing-Tour.

Teil 1: Servus Deutschland – Hello Namibia

Nach langem Warten ist nun endlich der Tag der Tage gekommen: wir brechen auf um sechs Wochen das südliche Afrika zu bereisen. Unser Plan ist es von Windhoek in Richtung Norden über den Caprivizipfel (-streifen) nach Simbabwe, Sambia und Botswana wieder nach Windhoek zu fahren und im Anschluss eine Woche in Kapstadt mit Freunden zu verbringen.

Unsere Reise beginnt mit der Zugfahrt zum Flughafen Frankfurt. Wir haben extra einen großen Puffer zwischen Zugankunft und Boarding eingeplant falls bei der Bahn etwas schiefgehen sollte. Doch hier läuft alles glatt (bis auf den in Würzburg einsteigenden Herrn, bei dem seit gefühlt zwei Wochen die Dusche defekt zu sein scheint…).

Angekommen am Flughafen Frankfurt fahren wir mit dem Shuttlebus zum Terminal 2 und stehen auch schon am Check In von Air Namibia. Der Schalter öffnet nach kurzer Zeit und wir können unser Gepäck aufgeben. Gefühlt liegt Lauras Rucksack gerade noch innerhalb der Gepäckfreigrenze, meine Reisetasche auf jeden Fall darüber. Mag daran liegen, dass wir neben Kleidung für jeden Anlass auch einen halben Drogeriemarkt, eine halbe Apotheke und ein halbes Fotofachgeschäft im Gepäck haben. Doch beim Wiegen des Gepäcks stellen wir mit großen Augen fest, dass wir beide weit unter der Freigepäckmenge liegen. Da stellt sich jetzt schon die Frage, was wir alles aus dem Urlaub mitbringen werden. Noch kurz alle Powerbanks, Feuerzeuge und Streichhölzer ins Handgepäck umgeladen und weg sind die zwei schweren Taschen.

Der Flieger nach Windhoek geht von Gate E9 und so war unser Plan, dort hinzugehen, eine Kleinigkeit zu essen, noch etwas zu entspannen und bisschen zu arbeiten. Doch nach der Sicherheitskontrolle gibt es am Gate E9 bis auf eine Toilette – nichts. Die netten Damen des Security-Checks haben uns darauf rechtzeitig hingewiesen, sodass wir dann erstmal den Rückzug antreten und uns noch im Zentralbereich mit Currywurst und Weißbier stärken können.

Beim Boarding spreche ich zuallererst ein großes Lob an mich selbst aus: „Da wählst du aus einem Flugzeug mit ca. 200 Plätzen zwei aus und triffst zielsicher genau die neben der Toilette – gut gemacht!“. Wenigstens haben wir es selbst nicht weit wenn die Blase drückt.

Nach dem Start wird das Abendessen serviert, ein kulinarisches Highlight: Nudelsalat und Hühnchen mit Nudeln…

Beim Fliegen mit Air Namibia sollte man beachten, dass bei dieser Airline nur einmal alkoholische Getränke ausgeschenkt werden und das auch nur zum Abendessen. So muss ich ohne einen Gute-Nacht-Gin Tonic versuchen zu schlafen. Statt Schäfchen kann ich jedoch die Leute zählen, die im Gang Schlange stehen um die Toilette aufzusuchen. Ich wette mit mir selbst, wie lange die einzelnen Leute wohl in der kleinen Nasszelle verweilen werden…

Gegen 1 Uhr übermannt uns doch die Müdigkeit und wir können immerhin zwei Stunden schlafen. Nach dem „Frühstück“ vergeht die Zeit aber wie im Flug und wir landen überpünktlich auf dem Hosea Kutako International. Einreiseformalitäten und Gepäck läuft beides problemlos und im Ankunftsbereich wartet bereits unser Shutllefahrer, Vinia, um uns zum Chameleon Backpackers zu fahren. Er lässt uns die Zeit um Geld zu ziehen und eine Zigarette zu rauchen und dann fahren wir los Richtung Windhoek. Auf der Fahrt in die Stadt erlebe ich zum ersten Mal den Gegensatz zwischen Wellblechhütten auf der einen und mit Mauern und Elektrodraht gesicherten Gated Communities auf der anderen Seite.

In der Backpacker-Lodge angekommen merken wir, dass es erst 7 Uhr morgens ist und unser Zimmer nicht so bald frei wird. Also ziehen wir nach einem kurzen Frühstück los zum Wernhil Park, einer Mall in der Laura in ihrer Zeit in Namibia auch immer eingekauft hat. Wir sind ganz schön platt, stromern ein bisschen durch die Gänge und klimatisierten Läden, besorgen uns etwas zu Essen, Wasser und eine namibische SIM-Karte und laufen bei gefühlt 35 Grad wieder zurück zu unserer Unterkunft. Erstmal eine Mütze Schlaf.

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Als wir wieder aufwachen ist es 17 Uhr. Nachdem wir uns Spaghetti-Napoli vom High-Society-Italiener auf der Independence Ave geholt haben lernen wir bei ein paar Windhoek Lager und Savanna Dry’s andere Gäste in unserer Unterkunft kennen. Zwei Mädels, die nach ihrem Abi für ein Jahr um die Welt tingeln und nun einen T3 kaufen um damit noch bis Kenia zu fahren. Die beiden ziehen mit einem anderen Backpacker noch los zum Feiern, wir sind alt und müde… Heute morgen erfahre ich, dass eins der Mädels ihr iPhone beim Feiern verloren hat. Ihre Freunde werden also bald auf Facebook lesen: „Momentan nur über FB erreichbar“ und dann: „Schickt mir alle mal euere Nummern“. Außerdem lernen wir einen Vater mit seinem 18jährigen Sohn kennen, die für 80 Tage durch Afrika reisen – ein Mega-Geschenk zum Abi. Der Vater ist Professor für Tourismusmanagement an der HS Bremen, wir tauschen und über ein paar  gemeinsame Bekannte aus, trinken zusammen noch ein Bier und verabschieden uns dann alle ins Bett. So endet unsere Ankunft in Afrika. Glücklich und geschafft.