Teil 17: 78 Kilometer in elf Stunden

Donnerstag, 19.12.2018:

Der Wecker ist auf 6 Uhr gestellt, doch bereits davor sind wir beide wach. Wir haben fast nicht geschlafen, da uns die Tiere (vor allem die zwei paarungswilligen Elefantenbullen und die Löwen) sehr nahe gekommen sind.

Gerade die Löwen waren unserem Zelt so nah, dass wir sie riechen konnten. Laura beschreibt den Geruch von Löwen so: wie eine Katze x 10 gepaart mit dem eisengeschwängerten Geruch von frischem, rohen Fleisch. Ein toller Geruch mitten in der Nacht und nur von einer Zeltplane umgeben. Als Laura am Abend noch zur Toilette musste und ich ihr anbot sie die 500 Meter im Dunkeln zu Fuß zu begleiten, lehnte sie dies ab und die Abendhygiene wurde nah am Auto erledigt. War sicherlich die bessere Wahl.

Trotz der kurzen Nacht müssen wir heute früh los denn die Handy-App (das Ersatzkabel für Helmuts Navi hat auch keine Abhilfe geschaffen) sagt für die 78 KM durch den Chobe bis zur nächsten Station sagenhafte 11 Stunden Tiefsandfahrt voraus. Na dann wollen wir mal sehen, ob wir im Hellen ankommen.

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Unsere nächste Station wird Dijara, eine Campsite am südlichen Ende des Chobe-Nationalparks. Zwischen Savuti und Dijara gibt es eine „Marsh-Road“ und eine „Sandridge-Road“. Auch wenn wohl beide Routen die Bezeichnung „Road“ wohl kaum verdienen haben wir uns bereits in Windhoek dafür entschieden, definitiv die „Sandridge-Road“ zu nehmen. Der Grund dafür steht am Ende dieses Kapitels. Also fahren wir auf der Sandpiste entlang Richtung Süden. Auf dem Weg machen wir einen Abstecher um den „Leopard’s Rock“, der Leopard ist das einzige der Big Five-Tiere, das wir noch nicht gesehen haben. Die Leoparden scheinen wohl alle im Schatten zu dösen, uns zeigt sich keiner und so lassen wir uns weiter von der sandigen Buckelpiste durchrütteln. Dabei können wir der Anzeige in der Handy-App zusehen, wie sie die Zeit bis zur Ankunft in Dijara alle zehn Minuten um ca. eine Stunde verkürzt. Uns ist es lieber so als andersherum. Durch die tiefen und schwer zu sehenden Löcher im Sand ist die Fahrt aber auch in weniger als elf Stunden eine ganz schöne Plackerei.

Sehr glücklich (und auf Seiten des Fahrers auch etwas stolz) erreichen wir dann nach ca. der Hälfte der angegebenen Zeit das Camp Dijara. Bereits bei der Anfahrt fällt uns auf, dass die gesamte Gegend von Elefanten niedergetrampelt wurde. Augenscheinlich waren das etwas mehr Tiere als zwei zwei Exemplare von letzter Nacht. Auch für dieses Camp haben wir im Voraus bezahlt, ebenso 100 US-Dollar. Während wir für manche, wirklich schöne, Campsite ca. 6 Euro pro Nacht und Person bezahlt haben, sind die Preise in dieser Region Botswanas extraorbitant teuer und fast schon unverschämt. Beim Camp Dijara kommt noch die Herausforderung dazu, dass wir die Einfahrt zum Camp nicht finden können. Schließlich sehen wir ein kleines Schild, das noch an einer Ecke an einer Kette befestigt ist, vor sich hinbaumelt und auf die Campsite hinweist. Wir fahren also in den kleinen Weg. Kein Gate, kein Personal, keine anderen Gäste. Nur wir. Nicht ganz: nur wir und ca. 50 Elefanten.

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Jetzt sind wir uns nicht ganz sicher, ob wir wirklich zur Campsite gefahren sind oder ob nicht auf dem Schild ein Pfeil in eine andere Richtung gezeigt hat. Also fahren wir zu diesem zurück um uns zu vergewissern. Die Elefanten beäugen uns beim Rangieren neugierig. Zurück beim Schild finden wir darauf zwar keinen Pfeil dafür jedoch eine Telefonnummer. Mit unserem botswanischen Handy rufen wir diese an und der Mann am anderen Ende der Leitung sagt uns, wir sollen uns doch einfach irgendwo hinstellen da keine anderen Reisenden erwartet werden. Die Gesellschaft anderer Menschen hätten wir jetzt durchaus geschätzt. Plötzlich fährt ein südafrikanischer Geländewagen heran und bleibt neben uns stehen. Wir denken, die beiden Insassen wollen uns etwas fragen und lassen ein Fenster herunter. Doch sie schauen in die andere Richtung. Wir wollen wissen, was die beiden denn da beobachten und fahren an ihrem Auto vorbei. Dann sehen wir die beiden Löwinnen, die sich einem toten „Wildebeest“ (Gnu) nähern.

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So schön die Tiere auch sind, jetzt ist die Zeit zu fragen, ob wir hier die Nacht verbringen können und wollen. Wir brauchen nicht lange diskutieren und fassen nach kurzer Überlegung den Entschluss, trotz der bezahlten 100 US-Dollar für den Stellplatz die Nacht in Dijara zu überspringen und direkt nach Maun zu fahren. Das bedeutet zwar weitere 160 KM über Sandpiste aber an ein Aussteigen ist in Anbetracht der tierischen Mitcamper nicht zu denken. Die Entscheidung werden wir auch nicht bereuen, denn auf der Weiterfahrt fahren wir durch Dörfer, die vollständig von Elefanten zerstört wurden und wohl seitdem verlassen sind. Unsere Nerven sind etwas angespannt denn durch die Weiterfahrt werden wir heute fast 12 Stunden im Auto sitzen.

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Als wir schließlich in Maun im Old Bridge Backpackers ankommen ist die Stimmung aber wieder gehoben. Das Camp ist direkt an einem Fluss gelegen (einem der tatsächlich auch Wasser führt) hat eine Bar, einen Pool und saubere und funktionierende Duschen. Zur Begrüßung gibt es erstmal ein kühles Bier und eine Runde planschen. Auf der anderen Uferseite des Flusses grasen Kühe, Esel streifen umher. Diese Sorte Tier ist uns heute Nacht eindeutig lieber.

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Da wir jetzt den Chobe erfolgreich durchquert haben können wir nun auch die Geschichte von Anna und Björn in allen Details lesen. Die beiden haben im April die Durchquerung gewagt und ihre Geschichte zeigt, was auch passieren kann wenn man zur falschen (Jahres-)Zeit am falschen Ort ist. Wir kannten die Geschichte der beiden bereits seit Windhoek und haben uns durch die Erzählung für die „Sandridge-Road“ entschieden. Wir wollten hier niemanden vor unserer gesunden Durchquerung verunsichern und haben uns daher entschieden, sie erst mit diesem Kapitel zu verlinken.

 

 

Teil 16: Hinein in den Chobe

Dienstag, 18.12.2018:

Nach einer kurzen Verabschiedung von Tanya und Rainer checken wir noch unsere Wasser-, Essens- und Spritvorräte (also Diesel). Hier nehmen wir lieber viel zu viel als zu wenig mit denn heute geht es in den Chobe. Auf der vor uns liegenden Fahrt über drei Tage von Kasane nach Maun gibt es keine Möglichkeit irgendetwas zu kaufen. Nachdem wir alles doppelt gecheckt haben brechen wir auf nach Kasane wo sich die Einfahrt zum Chobe befindet.

Am Eingangstor müssen wir uns wieder in ein Buch eintragen (Reisepassnr. und namibisches Kennzeichen kann ich mittlerweile im Schlaf) und dann liegt vor uns die Sandpiste in Richtung unserer ersten Übernachtungsstation im Chobe, dem Camp Savuti. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wird der Sand immer tiefer. Am linken „Straßen“rand befiehlt irgendwann ein Schild: „2. Gang rein und Vollgas“. Das wird befolgt und mit vollem Karacho brettern wir durch/über richtig tiefen Sand einige hundert Meter einen Hügel hinauf. Oben angekommen steht ein zweites Schild, das besagt: „Herzlichen Glückwunsch! Sie haben dieses schwierige Stück geschafft. Vor allem, wenn Sie einen Land Rover fahren“. Gut, dass Helmut ein Toyota ist.

Noch immer angespornt von dem ersten Schild fahre ich zügig über den Sand, nach dem dritten Aufsetzer ermahnt mich Laura dann doch zu einer etwas gemäßigteren Fahrweise. Ich sehe es ein, gerade weil eine Panne im Chobe (man darf nicht aussteigen und ein anderes Fahrzeug haben wir hier drin noch nicht gesehen) eine mittlere Katastrophe wäre. Mit gemütlicherer Geschwindigkeit schaukeln wir weiter bis wir schließlich das Gate vom Camp Savuti erreichen.

Die Frau am Gate ist eine von der schlecht gelaunten Sorte, nach einer sehr kurz gehaltenen Begrüßung möchte sie den Betrag für die Übernachtung kassieren. Savuti ist einer der wenigen Campsites, die wir im Voraus gebucht und bezahlt haben. Ich sage der grummeligen Gate-Frau, dass wir die 100 US-Dollar (für eine Nacht!) bereits überwiesen haben. Ohne meine Aussage zu überprüfen lässt sie uns passieren. Savuti besteht aus nur 10 Stellplätzen (deswegen haben wir lieber vorgebucht), hat keinen Zaun und ist etwas erhöht im Halbkreis um eine Ebene gelegen. Es gibt ein zentrales Ablution-Haus (Toiletten, Duschen und Spülbecken für Geschirr) welches ca. 500 Meter von unserer Campsite gelegen ist. Von den anderen Campern sehen wir fast nichts, soweit sind die einzelnen Campsites auseinander. Von anderen Afrika-Erfahrenen haben wir im Namibia-Forum gelesen, dass es im Camp Savuti eine „Paradise-Campsite“ geben soll. Diese ist am weitesten abgelegen und man hat den besten Blick auf die Ebene. Leider war die „Paradise-Campsite“ bereits vergeben, sodass wir dank einer in Metz gefundenen selbstgezeichneten Karte die ihr nächstgelegene Campsite, Nummer 4, gewählt haben.

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Wir positionieren Helmut also auf Platz Nr. 4 und errichten uns einen Spähposten. Das Auto wird so ausgerichtet, dass wir vom Dachzelt die ganze Ebene einsehen können. Die Kamera und das Fernglas in den Händen halten wir Ausschau nach Tieren.

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Durch das Geschüttel der Fahrt, die Mittagshitze und die Gemütlichkeit unseres Ausgucks fallen wir aber beide schnell in einen Nachmittagsschlaf.

Als wir wieder erwachen ist die größte Hitze verflogen und wir werfen den Grill an (also Laura wirft den Grill an ich sitze mit einem kühlen Bier daneben) und bereiten uns auf einen Abend inmitten der Einsamkeit am Feuer vor. Es gibt Käsekrainer, diese haben wir noch aus der „deutschen“ Zeit in Swakopmund im Gepäck.

Nach dem Essen sitzen wir am Feuer, schauen in die Weite der Ebene und hören das Tröten von Elefanten und das erste Löwengebrüll des Abends. Plötzlich steht jemand hinter uns und reißt uns mit einem lauten „Knock knock“ aus der Ruhe. Es ist ein Ranger des Camps. Er ist ohne Licht und nur mit Flips Flops an den Füßen in der Dunkelheit unterwegs. Er sei gekommen um uns zu warnen, teilt er uns mit. In der unmittelbaren Umgebung gäbe es Probleme mit zwei jungen Elefantenbullen. Die beiden seien auf der Suche nach paarungswilligen Elefanten-Damen und da ihre Suche wohl auf wenig Gegenliebe stößt drehen die beiden etwas am Rad. Er gibt uns den Tipp, uns lieber ins Dachzelt zurückzuziehen und den Elefanten auf jeden Fall fern zu bleiben, sollten diese sich unserem Auto nähern. Dann zieht der Ranger weiter in die Dunkelheit. Mit gehörigem Respekt klettern wir in das Zelt und versuchen, begleitet vom Tröten der beiden geilen Bullen und sehr nahem Löwengebrüll, einzuschlafen.