Teil 15: Grenzerfahrungen

Montag, 17.12.2018:

Um 5.30 Uhr klingelt der Wecker und scheucht uns aus den Federn. Um 7.00 Uhr geht der Shuttle zu den Victoria Falls. Das Löwengebrüll in der Nacht klang sehr nah und ohne Zaun vielleicht sogar zu nah. Wir haben uns für einen Shuttle entschieden, da wir bisher von allen gehört haben, den Grenzübertritt nach Simbabwe bloß nicht mit dem eigenen Auto zu wagen. Der Rat wird sich bewahrheiten.

Da uns Laura bereits am Vorabend Sandwiches gemacht hat geht es nach einer Katzenwäsche los zum Abfahrtsort des Shuttles. Hier treffen wir auch Rainer und Tanya. Unser Fahrer Dumi gibt uns schon vor Fahrtantritt die Einreisepapiere für Simbabwe und rät uns, die Visagebühr am besten in Euro zu bezahlen. Kurz zurück zu unserem Auto und Euros geholt, dann geht die Fahrt los. Wir steuern aber nicht die Grenze sondern die nächste Tankstelle an. Warum, wird sich später zeigen. Den Tankstopp nutze ich und kaufe mir eine kalte Bananenmilch. Ich liebe Bananenmilch. Meine Vorfreude wird jäh getrübt als ich den ersten Schluck nehme und feststelle, dass ich wohl das nächste Mal besser die Inhaltsstoffe lesen sollte. Die „Bananenmilch“ ist nämlich nicht wirklich aus Milch sondern aus Wasser, Maizemehl (das Nationalgericht im südlichen Afrika „Millipap“ wird hieraus gemacht) und künstlichen Geschmacksstoffen. Ich schlucke das mehlige Gesöff und werde den Rest bei der nächsten Gelegenheit entsorgen…

Auf dem Weg zur Grenze entdecken wir Elefanten und Büffel nur ein paar Schritte vom Auto entfernt am Straßenrand. In Botswana gibt es auch außerhalb der (ohnehin nicht umzäunten) Nationalparks eine Vielfalt an Tieren was vielleicht bedingt ist durch das generelle Jagdverbot aus dem Jahr 2014. Die Grenze ist nach nur 10 Minuten Fahrt erreicht und wir sollen schonmal am Schalter anstehen während Dumi den Papierkram für das Auto erledigt. An den Visa-Schaltern herrscht geordnetes Chaos. Die Leute stehen in einer großen Traube vor den drei geöffneten Fenstern. Immer wieder kommt von hinten ein Guide, geht durch die Traube von Wartenden an ein Fenster und regelt die Einreise für seine Gäste. Es gibt sogar Leute, die die ganze Zeit vorne am Schalter stehen und immer wieder Pässe entgegennehmen und die Visa eintragen lassen. Für ein kleines „Trinkgeld“ könnten wir wohl auch so unsere Formalitäten beschleunigen. Doch das ist gar nicht nötig denn plötzlich steht Dumi ganz vorne und winkt uns zu sich. Wir gehen an den anderen Wartenden vorbei zum Grenzbeamten. Wehe dem, der keinen Guide dabei hat.

Der Zollbeamte heißt Felix und möchte ersteinmal ein paar neue Wörter auf Deutsch beigebracht bekommen. Wir machen ein paar Späße und nach wenigen Minuten und 50 Euro weniger in unserer Tasche haben wir die Visa für Simbabwe. Im Auto zeigt uns Dumi seinen Reisepass, er ist voller Stempel und Dumi muss sich alle drei Monate einen neuen besorgen. In dieser Region als Guide zu arbeiten lässt die freien Seiten im Pass schnell schrumpfen. Warum wir noch einen Tankstopp in Botswana eingelegt haben erfahren wir auch gleich bei der Weiterfahrt. In Simbabwe gibt es keinen Treibstoff. Eine immernoch bestehende Folge der wirtschaftlichen Isolierung Simbabwes als Erbe der Mugabe-Diktatur. In jedem Fall eine gute Entscheidung, hier nicht mit dem eigenen Fahrzeug einzureisen.

Nach einer weiteren Stunde Fahrt erreichen wir das Ziel des Tages, die 1,7 KM breiten und damit breitesten Wasserfälle der Welt und eines der sieben Weltnaturwunder, die Victoria Falls. Die Vic Falls sind von der sambischen als auch der simbabwischen Seite zugänglich. Wir haben uns für Simbabwe als Ausgangspunkt entschieden, da während unserer Reisezeit von hier aus mehr Wasser fließen soll. Wir befinden uns am Beginn der Regenzeit und um diese Zeit sollen die Fälle am leersten sein. Nachdem die 30 US-Dollar Eintritt pro Person zu den Wasserfällen bezahlt sind gehen Rainer und Tanya erst einmal ins Cafe um zu frühstücken. Dank Lauras Sandwiches machen wir es uns auf einer Wiese in dem tropenähnlichen Park rund um die Vic Falls gemütlich. Es ist 10.30 Uhr und wir fahren um 14.30 wieder zurück, also kein Stress.

Nachdem wir einen Baboon beobachtet haben wie er mit Leichtigkeit auf eine vergitterte Mülltonne geklettert ist, diese öffnete und sich an den Überbleibseln touristischer Doggy-Bags bediente marschieren wir los zu den Wasserfällen. Trotz des Wenigwassers sind die Victoria Falls ein beeindruckendes Naturwunder. Auf ihrer gesamten Breite stürzt zwar nur von gut einem Drittel Wasser hinab und trotzdem spritzt die Gischt noch weit über die 93 Meter tiefe Schlucht hinaus.

Wir können es uns fast nicht vorstellen, wie nass man hier wird wenn die Fälle voll sind. Durch das ständige Spritzwasser ist die Umgebung auch unglaublich feucht und erinnert mehr an einen südostasiatischen Regenwald als eine Oase im südlichen Afrika.

Wir machen einen Abstecher nach Sambia, das von der Victoria Falls-Brücke zu Fuß aus erreicht werden kann. Auf dieser Brücke kann man Bungee springen, nach meinem Bungeesprung von der Europabrücke im Jahr 2017, verzichte ich dankend.

Bei unserer Rückfahrt halten wir noch an einem Markt für Souvenirs, wir brauchen noch einen Kühlschrankmagneten. Da wir die einzigen Touristen auf dem Markt sind werden wir sofort nach Verlassen des Autos von Händlern umringt, zu deren Ständen geführt und afrikanische Verkaufsgespräche beginnen. Was uns sofort auffällt ist neben der Tatsache, dass auf diesem Markt alle Währungen akzeptiert werden, dass die Händler viel lieber noch Tauschware annehmen würden. Ich werde nach meiner Cap, meiner Sonnenbrille aber auch meinen getragenen Socken im Gegenzug für ein Tier aus Holz, Stein oder Metall gefragt. Auch meine Aussage, dass wir auf Safari seien und ich die Socken bereits seit mehreren Tagen und ohne tatsächliche Dusche tragen würde schreckt hier niemanden ab. Simbabwe hat als offizielle Währungen den US-Dollar, den Euro, den südafrikanischen Rand und sogar den chinesischen Renminbi. Die eigentliche Währung, der Zimbabwe-Dollar wurde nach einer Hyperinflation i.H.v. bis zu 231 Mio. Prozent im Jahr 2015 abgeschafft. So kann man neben den Schnitzereien auf dem Markt auch Scheine über 100 Trillionen Zimbabwe-Dollar für einige Eurocent erstehen (oder gegen ein paar getragene Socken eintauschen). Wir erstehen den Kühlschrankmagneten und einen hölzernden Elefanten dann doch im Tausch gegen Bargeld und treten die Heimreise an.

Bei der Rückkehr von Simbabwe nach Botswana wird uns dann auch bewusst, warum man besser mit dem Shuttle fahren sollte. An der Grenze herrscht das pure Chaos. Es gibt nur eine gemeinsame Spur für die Aus- und Einreise von Fahrzeugen und auf dieser ist ein LKW liegengeblieben. Es tut sich nichts, LKW-Fahrer schreien sich genervt an und Tourguides schicken ihre Gäste zu Fuß über die Grenze um mit dem Auto wieder zurückzufahren. Nur Dumi behält die Nerven und geht zu den Zollbeamten um einen Lagebericht einzuholen. Dafür überlässt er mir das Steuer und ich parke unseren Kleinbus im Grenzchaos in einem etwas ruhigeren Eck. Dort lerne ich auch einen Mann kennen, der seit vier Tagen im Auto schläft weil er auf die erforderlichen Einfuhrpapiere für sein in Botswana gekauftes Auto wartet. Er sitzt auf der Pritsche seines Pick-Ups, betrachtet das Verkehrschaos und lacht. Von Ungeduld oder Wut auf die Grenzbeamten keine Spur. Auch das ist Afrika.

Nach der Rückkehr im Camp packen wir die Sachen für die Reise in den Chobe morgen zusammen und verabreden uns mit Rainer und Tanya noch auf ein Bier in der Bar oberhalb des Wasserlochs.

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