Teil 8: Der Bruch mit einer kindlichen Vorstellung

Montag, 10.12.2018:

Es ist Zeit, Swakopmund wieder zu verlassen. Wir haben uns wohl schon so sehr an Temperaturen jenseits der 35 Grad gewöhnt, dass es uns hier ganz schön fröstelt. Unsere nächste Station wird die Spitzkoppe, ein Tipp den wir von Robert im Backpackers in Windhoek bekommen haben.

Davor wollen wir uns jedoch noch einen Ort ansehen, der zwar nicht auf dem Weg liegt (eher einen 300 km Umweg bedeutet) aber der in die Kategorie „Wenn man schon einmal hier ist sollte man sich das auch ansehen“ fällt. Die Rede ist von der Robbenkolonie in Cape Cross. Hier sollen sich ca. 250.000 dieser Tiere das ganze Jahr über aufhalten. Wir werden vorgewarnt, dass es angesichts der schieren Anzahl von Tieren nicht gerade fein duften soll. Mit Pfefferminzöl auf Tüchern um unseren Geruchssinn zu schonen fühlen wir uns gut gewappnet und brechen von Swakopmund an der Küste entlang nach Norden auf. Die gesamte Fahrt führt über Teerstraßen!!! ca. 150 Kilometer vorbei an den zahlreichen Minen, in welchen Salz, Nickel aber auch Uran abgebaut wird. Schließlich erreichen wir das Ziel und befinden uns an der Einfahrt des Robbenreservats. Bis jetzt ist die Luft noch rein. Auch das Robbenreservat ist ein (wenn auch kleiner) Nationalpark. Und was wir hier für die Einfahrt benötigen ist uns schnell klar – eine Permit. Diese gibt es für umgerechnet ca. 10 Euro zusammen mit einer Fotokopie eines Artikels über die Geschichte der Robbenkolonie. Mit der Permit, dem Infoblatt und unseren Pfefferminzschals geht es dann auf die letzten ca. 300 Meter bis zum Parkplatz, von welchem aus man einen Steg betreten kann um die Tiere zu beobachten.

Auf den letzten Metern zum Parkplatz liegt ein totes, halb verwestes Robbenjunges. Wir haben Mitleid mit dem Kleinen – doch sollte das nur der Anfang sein…

Auf dem Parkplatz angekommen können wir es kaum fassen. Bereits weit vor der eigentlichen Kolonie liegen hunderte tote, zum Teil bereits verweste Heuler, andere kriechen im Sand herum und erwecken den Eindruck, als dass die das Schicksal ihrer Artgenossen auch bald so ereilt. Mit uns sind vier Touristen aus China und eine namibische Familie auf dem Parkplatz. Wir stellen Helmut ab und dann begehen wir einen folgenschweren Fehler: wir verlassen das Fahrzeug. Der Geruch ist unbeschreiblich, eine Mischung aus Verwesung, heißer Meerluft und Fäkalien kriecht uns in die Nase, zusammen mit dem Pfefferminzöl eine Mischung die einem den Magen umdreht. Nach kurzer Beratung (für lange Diskussionen ist bei diesem Gestank keine Zeit) entscheiden wir uns dagegen, auf den Aussichtssteg zu gehen sondern wollen auf eine kleine Mauer steigen um die eigentliche Kolonie sehen zu können. Nach drei Minuten ist es so heftig, dass wir wieder fahren wollen. Auf dem Weg zurück zum Auto sitzen drei der vier Chinesen bereits im Auto, die vierte streckt die Arme nach einem Robbenbaby aus und will es zu sich locken. Wir sagen ihr kurz, dass sie das Tier am besten nicht anfassen solle. Wir werden die Chinesin noch verstehen…

In Helmut sitzend lassen wir den Motor an und dann passiert es. Wohl angelockt durch das Motorengeräusch kommen auf einmal lauter Heuler auf das Auto zugelaufen (also nicht wirklich laufen, mehr robben) und platzieren sich um unsere Reifen. Warum sie das tun ist uns schleierhaft. Vielleicht weil sie Schatten suchen, vielleicht weil der Unterboden des Fahrzeugs noch warm ist, vielleicht weil die Reifen entfernt so aussehen wie eine Robbe. Der Grund ist auf jeden Fall unerheblich, denn dass sie es tun stellt uns nun vor ein echtes Problem. Drei Robben haben sich jeweils in der Innenseite eine Felge verkrochen, teilweise hängt eine Flosse noch heraus. Wenn wir die kleinen beim zurückfahren nicht überfahren wollen müssen wir sie da irgendwie herausbekommen. Deshalb hat die Chinesin das Kleine so fuchtelnd abgelenkt, während ihre Begleiter das Auto in Sicherheit gebracht haben.

Wir suchen nach einer Lösung – und das bei den bereits beschriebenen Gerüchen – hoffend, dass nicht noch mehr von den Robben unser Auto als Zufluchtsort für sich entdecken. Eine eben angekommene südafrikanische Familie amüsiert sich über die Heuler und wie sie sich unter unterem Auto verschanzt haben, der Vater gibt uns den Rat einfach zu fahren oder bietet an, die Robben zu erschießen. Beides kommt nicht in Frage.

Also versuchen wir mit Hupen, Klatschen, Rufen, Sand werfen und gegen die Außenseite der Reifen schlagen, die Robben zum Verlassen derselben zu bewegen. Schließlich bleibt uns nach der Erfolglosigkeit der bisherigen Versuche nur noch die an Helmut angebrachte Schaufel. Während ich mich ins Auto setze lockt Laura die Robben aus den Radkästen und positioniert sie mit der Schaufel so, dass ich sie beim Rückwärtsfahren nicht zerquetsche. Als dies dann bei allen dreien so gelungen ist gibt sie mir das Zeichen und ich fahre zügig rückwärts. Keine Robbe erwischt. Aber sie folgen dem Auto. Mit Vollgas geht es rückwärts in Richtung Ausfahrt. Laura lenkt mit der Schaufel die Aufmerksamkeit der Robben auf sich. Jetzt sind wir die Chinesen.

Laura springt ins Auto und wir fahren los. Den Gestank werden wir so schnell nicht los. Den Rest der fast 450 km langen Fahrt reden wir fast kein Wort. Die Schönheit der Spitzkoppe beschreiben wir im nächsten Teil. Jetzt müssen wir erstmal duschen.

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