Teil 6: Der Wind, der Wind, ein störrisches Kind

Freitag, 06.12.2018:

Gut, dass wir doch zwei Decken dabei haben… Als wir um 4 Uhr morgens aufstehen ist es wirklich kalt im Dachzelt – und das im namibischen Sommer.

Wir packen unsere Sachen zusammen, klappen das Dachzelt ein und nach einer Katzenwäsche geht es um kurz vor 5 los in Richtung Sossousvlei um den Sonnenaufgang von den Dünen aus anzuschauen. Wir haben schon viel gelesen und gehört über ein regelrechtes Wettrennen zu diesem Schauspiel, unsere Erfahrung an diesem Morgen ist jedoch eine andere. Wir starten als zweites Auto an diesem Tag in den Park, werden von einem (wahrscheinlich ambitionierten Naturfotografen) überholt und kommen so als drittes Fahrzeug an. Ein Wettrennen hätte auch gar keinen Sinn gemacht, denn es liegt dichter Nebel über der Namib und daher beschließen wir, ersteinmal gemütlich am Fuß der Dünen zu frühstücken. Als der Tee endlich fertig ist (der Wind bläst wieder) kommen zwei Guides aus den Nebelschwaden, wir laden sie auf eine Tasse Tee ein und dabei erzählen sie, dass heute der Namib-Marathon stattfindet für den sie eine Verpflegungsstelle aufbauen müssen. Dieser Lauf (ob er wirklich Namib-Marathon heißt entzieht sich meiner Kenntnis) führt vier Tage lang über 100 km durch die Wüste und damit nicht genug auch noch dünauf und dünab.

Als sich dann die Sonne zeigt, heften wir uns an die Fersen eines älteren Paares, die sich einen privaten Guide geleistet haben. Ohne Rücksicht auf deren Alleinanspruch stellen wir Fragen und lassen uns diese auch ausgiebig beantworten. Die drei wollen auf die höchste Düne im Sossousvlei, genannt „Big Daddy“, aufsteigen. In unserem jugendlichen Übermut wollen wir es ihnen gleichtun und und machen uns an den Aufstieg. Gar nicht mal ohne so einen überdimensionierten Sandhügel hinaufzustapfen auch wenn es immer noch angenehm kühl ist.

Beim Aufstieg dauert es nicht lange und wir haben das Pärchen mit ihrem Guide weit abgehängt. Allerdings dauert es auch nicht lange bis wir vom Führenden des Namibia-Marathons überholt werden. Der spurtet da die Düne hoch, mit Startnummer an der Hüfte, als wären es ein Sonntagsspaziergang. Wir sind selbst wohl zu verdutzt als dass wir ihn anfeuern könnten. Dann kommt die Zweitplatzierte, wie wir später erfahren ist es die Ehefrau des Führenden.

Nicht ganz so elegant aber wohl mindestens so glücklich erreichen wir schließlich den Gipfel von „Big Daddy“. Leider werden wir nicht mit einem Kaltgetränk an der Spitze belohnt, dafür jedoch mit einem grandiosen Wüstenpanorama. Eine Freundin hat diese Wüste in fünf Tagen bis zur Küste durchquert, wir verspüren tiefen Respekt vor diesem Abenteuer.

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Der Abstieg von „Big Daddy“ ist dann ebenso erfreulich wie der Aufstieg beschwerlich war. Wir fahren fast wie auf Skiern den Hang hinab, ich mit Schuhen, Laura ist, wie bereits beim Hinaufgehen, barfuß. Unten angekommen laufen wir durch das „Deadvlei“, eine Salzpfanne mit toten Bäumen, zurück zu Helmut und machen uns auf den Weg zu unserer nächsten Übernachtungsstation.

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Heute Nacht werden wir auf Empfehlung von Lauras Freundin und ehemaliger Mitbewohnerin Sarah bei Mirabib unser Dachzelt aufschlagen. Mirabib ist eine Felsenformation im Namib-Naukluft-Park. Auf dem Weg dorthin fahren wir auch das erste Mal über eine „Other“-Straße und werden kräftig durchgeschaukelt. Wir sehen die verstreuten Reifenüberreste am Straßenrand und hoffen, dass wir nicht einen beisteuern müssen. Plötzlich hat Laura etwas am Horizont erspäht und ich halte an. Wir holen unser Fernglas und erblicken einen Strauß. Beim näheren Hinsehen entdecken wir neben dem Strauß noch einen Springbock und (nach Angaben im Lonely Planet sehr seltene) Hartmann-Bergzebras. Die Kamera wird gezückt und unsere ersten Wildtiere zumindest erinnerungsmäßig abgeschossen. Kurz darauf erreichen wir die Felsformation Mirabib und richten uns dort unser Nachtlager ein.

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Heute soll das mit der Campingküche etwas aufgepeppt werden, wir haben Rinderfilet und Gemüse für den Grill besorgt. Ein Braai, so die Bezeichnung für das Grillen im südlichen Afrika, schmeckt am Besten wenn das Feuer mit dem Holz des Kameldornbaumes entfacht wird. Auch das haben wir im Gepäck und so kann das Festmahl kredenzt werden. Wäre da nicht wieder dieser Wind, das Feuer braucht eine gefühlte Ewigkeit um zu brennen, andauernd weht es entweder Alufolie, Geschirrtuch oder Gewürzdosen weg und als wir schließlich das Grillgut auf den Rost packen können kommt ein Windstoß und alles ist umhüllt mit einer Marinade aus Wüstensand und Asche. Wir nehmen das zum Anlass, unsere Menüfolgen für die nächsten Wochen noch einmal in einer Korrkturschleife anzupassen.

Doch der weitere Abend entschädigt uns für diese „Hell’s Kitchen“-Erfahrung mehr als angemessen. Ein tiefroter Sonnenuntergang, wir sitzen auf der Heckklappe von Helmut mit einem eiskalten Gin Tonic in der Hand. Irgendwann dieser atemberaubende Sternenhimmel, wir sind ganz alleine und fragen uns ob das Universum unendlich ist oder ob es nur kein Ende hat. Wir schlafen erschöpft und glücklich in unserem Dachzelt ein – wahrscheinlich wie der Marathonsieger und seine Frau.

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