Teil 4: Das Wissen, anders zu sein oder: Der Geburtstag der jungen Dame

Dieser Teil ist eine Zusammenfassung von Montag und Dienstag, da wir am Montag relativ wenig Erzählenswertes unternommen haben. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass wir unseren Lesern das Erlebte vorenthalten.

Montag, 3. Dezember 2018:

Heute haben wir eine wichtige Verabredung. Wir treffen Bassi um ihm zwei Christstollen zu übergeben. Wie wir dazu gekommen sind Bassi die Christstollen zu bringen hört sich an, wie die fadenscheinige Erklärung dafür wenn man etwas peinliches getan hat und es nicht zugeben möchte. Bassi ist der Mann der Cousine von Lauras bestem Freund Vincent. Wir verabreden uns mit ihm in einem Einkaufszentrum im Stadtzentrum von Windhoek. Wir halten uns oft in Einkaufszentren auf. Zum Einen, weil uns immer wieder etwas einfällt was wir noch für unsere Tour benötigen, zum Anderen wegen der Klimaanlagen.

Bassi verspätet sich etwas, also schieben wir ein paar Besorgungen dazwischen. In einem Geschäft steht eine Familie mit ein paar Kindern vor uns an der Kasse. Der Kleinste gerade mal im steh- bzw. stolperfähigen Alter. Hier fällt mir zum ersten Mal richtig auf, dass wir anders sind. Der Kleine sieht uns an als hätte er ein Gespenst gesehen. Aber wahrscheinlich ist unser Anblick für ihn so, als wenn wir in der Schlange vor Caspar, dem freundlichen Gespenst anstehen. Dieses Bewusstsein, aufgrund unserer Hautfarbe anders zu sein, lässt mich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr los.

In Namibia stellen Weißen gerade einmal ca. fünf Prozent der Bevölkerung; dafür besitzen diese den überwiegenden Teil an Ländereien. In Windhoek sieht man folglich nahezu keine Menschen mit weißer Hautfarbe und wenn, dann sehen sie eher aus wie richtige Safari-Touristen. Khakifarbene Hosen und Hemden, den Tagesrucksack auf der Brust tragend mit darüber verschränkten Armen. Wäre ich ein Taschendieb, dann hätte ich bei diesem Anblick meine Beute erspäht.

Wenn man es erlebt, aufgrund seiner unterschiedlichen Hautfarbe anders zu sein und vor allem sofort als fremd erkannt zu werden, lässt einen das nachdenken. Wir werden hier eher von wedelnden Taxifahrern mit der Hoffnung auf ein paar extra Dollar umworben als von der Polizei mit waghalsigen Argumenten kontrolliert oder gar von einer Horde Wutbürgern mit beschränktem Weltbild  bedrängt. Das Anderssein sollten wir am nächsten Tag in einer andren Situation noch einmal spüren.

Dienstag, 4. Dezember 2018: 

Ich stehe morgens auf und ehe Laura richtig wach ist verziehe ich mich an den Pool. Kurz brauche ich Platz und Zeit für mich um Laura eine Karte zu schreiben. Sie hat heute Geburtstag. Entweder eine ganz große Party ohne gar keine, das waren die Optionen. Nun feiern wir in Afrika, zu zweit.

Zu diesem Besonderen Anlass gehen wir ins Craft-Café zum Frühstücken. Das Craft-Café gehört zum gleichnamigen Center, wo wir bereits auf Saft und Milchshake eingekehrt sind. Wir genehmigen uns ein ausgiebiges Frühstück mit Spiegeleiern, Bacon, Sandwiches und Schokoladentorte. Laura möchte gerne heute zu dem Waisenhaus, in dem sie vor zehn Jahren für ein paar Monate gearbeitet hat. Wir überlegen, was wir den Kindern dort mitbringen können. Buntstifte hatten wir für diesen Zweck bereits aus Deutschland mitgenommen; gekauft werden noch Luftballons und zwei Fußbälle.

Das Waisenhaus liegt in Katutura, dem Township von Windhoek, mit schwankenden Einwohnerzahlen von 100 bis 250 Tausend Einwohnern (Windhoek gesamt hat ca. 350.000). Unser Taxifahrer erzählt uns auf dem Weg einiges über die Persönlichkeiten hinter den Straßennamen, die an uns vorbeiziehen. Viele Straßen sollen ihr deutschen Kolonialnamen verlieren und nach Persönlichkeiten der Geschichte des unabhängigen Namibias benannt werden. Die Frage, warum die Bismarck-Straße immer noch so heißt, Johann Sebastian Bach seinen Rang als Straßennamenvertreter aber bereits abgeben musste, kann er auch nicht beantworten.

Im Waisenhaus angekommen stellt Laura freudig fest, dass ein paar Betreuerinnen immer noch dort arbeiten. Da wir einfach ohne Ankündigung hereingeschneit sind ist die Überraschung natürlich groß. Während wir uns noch begrüßen haben die Kinder schon unsere Mitbringsel erspäht und so geht das Getobe los. Ich verziehe mich mit den Jungs nach Draußen zum Fußballspielen, im Haus werden Bilder gemalt und Luftballons aufgeblasen. Nach kurzer Zeit ist mein Handy weg, die Kinder haben riesigen Spaß daran, für die Kamera zu tanzen, herumzualbern und sich gegenseitig zu filmen. Ich werde vor unserer Abfahrt mit ein paar GB mehr auf dem Speicher wiederbekommen.

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Zuerst war ich bei dem Gedanken, in ein Waisenhaus zu fahren, etwas unklar über meine Gefühle. Kommt man dort als Tourist mit ein paar Spielsachen nicht zu gönnerhaft rüber? Sollen wir uns freuen, ein paar Kinder wiederzusehen, die bereits vor zehn Jahren dort waren? Aber bei unserem Aufenthalt stelle ich fest, dass es den Kindern für ihre Lebensgeschichte wirklich gut zu gehen scheint. Es scheint an nichts zu fehlen und ich habe das Gefühl, dass unsere Mitbringsel nicht deplatziert waren. Manche Kinder können gar nicht von unseren glatten Haaren lassen, ich brauche kein Haargel mehr und sehe nach kurzer Zeit aus wie Mecki der Igel. Als es bei den Kindern Zeit zum Essen ist verabschieden wir uns, schließlich ist immer noch Lauras Geburtstag und wir haben ein Dinner-Date.

Heute Abend fahren wir zur Feier des Tages ins „Stellenbosch – Tasting Room“ und es braucht eigentlich nur ein Wort um dieses Lokal zu beschreiben: fabelhaft. Wir verbringen einen Abend mit bestem Service, grandiosen Essen und exzellentem Wein. Weil eben dieser besonders gemundet hat nehmen wir uns noch eine Flasche mit auf unsere Tour. Man soll auch im Busch das Genießen nicht vergessen.

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Zurück in unserer Unterkunft treffen wir Marvin, den Uhren- und Schuhhändler aus Sambia und Katy, eine Schweizerin mit slowakischen Wurzeln. Die beiden gehen noch aus und wir ziehen mit. Im Boiler Room des „Warehouse“ ist Karaokeabend. Unsere Gruppe versucht – zum Vorteil für alle anwesenden vergeblich – mich zum Singen zu überreden. Stattdessen lernen wir einige von Marvins Bekannten und wiederum deren Bekannte kennen. Grad schee is. Als wir irgendwann beschließen zu gehen fragt uns Marvin ob wir Taxi fahren. Da unser Bett nur 5 Gehminuten entfernt ist, verneinen wir. Er findet das im Gegensatz zu uns ziemlich fahrlässig und so begleitet er uns nach Hause um dann wieder in die Bar zurückzukehren. Uns passiert auf dem Heimweg nichts – bei einer Begleitung mit über 2 Metern Körpergröße und ziemlich imposanter Statur auch nicht besonders verwunderlich.

 

 

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